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Schreibtipp: Pars pro toto

Wenn Leute darüber schreiben, was ihre Firma alles so herstellt oder leistet, versuchen sie oft, in ihrem Text ja nichts unerwähnt zu lassen.


Und weil sie gehört haben, dass lange Texte eh keiner liest, packen sie ihre Siebensachen in möglichst breite Begriffe, die sich wie ein Schirm über all das spannen sollen, was sie so tun.


Sie schreiben dann Möbel. Oder sagen Werkzeug. Oder Medizinalgeräte. Beratungsdienstleistungen. Innovative Fintechlösungen. Mich hat kürzlich ein Verein zum Jahrestreffen eingeladen und mir «Erfrischungen und Verpflegung mit hohem Unterhaltungswert» geboten.


Doch leider sind wir als Leser unfähig, uns unter einem abstrakten Begriff etwas vorzustellen. Wenn wir uns überhaupt die Mühe machen und nicht einfach am Wort vorbeilesen, müssen wir den Umweg übers Konkrete machen.


Das heisst: Zum Beispiel müssen wir uns ein ganz bestimmtes Möbel vor Augen führen – ein Sofa oder einen Ohrensessel –, um mit dem Wort «Möbel» etwas anfangen zu können. Oder wir müssen an ein Rüebli denken, das durch einen brennenden Reifen springt, um zu verstehen, was eine Verpflegung mit hohem Unterhaltungswert ist (es macht zwar auch dann keinen Sinn).


Als Schreiber können Sie Ihrem Leser diesen Umweg sparen, indem Sie gleich konkrete Begriffe verwenden.


Ein Stilmittel, auf das Sie dabei zurückgreifen können, ist das «Pars pro toto» – auf Deutsch: der Teil, der für das Ganze steht.


Pars pro toto ist, wenn Sie beispielsweise sagen: «Das macht dann eins neunzig pro Nase.» Die Nase ist in diesem Fall der Körperteil, der für den ganzen Menschen steht. Oder wenn Sie vom «Dach über dem Kopf» sprechen, dann brauchen Sie gleich zweimal den Teil fürs Ganze. Sie sehen schon.


Besser schreibt man also Schraubenzieher, Axt und Akkubohrer, selbst wenn man haufenweise anderes Werkzeug im Sortiment hat. Und auch mit Fasan, Wachtel oder Pfau hat man mehr für den Leser getan – und für sich selbst – als mit dem Geflügel.


An der «Erfrischung und Verpflegung mit hohem Unterhaltungswert» hingegen grüble ich noch.

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