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Knapp bei Kasse? So lektorieren Sie Ihre Bachelor-, Masterarbeit & Co. selbst

Aktualisiert: 7. Mai 2023

Sie haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen. Sie schleichen nur noch auf dem Zahnfleisch und stolpern über Ihre eigenen Augenringe.

Und bald sind Sie auch noch so pleite wie ein unehelicher Cousin der Lehman Brothers und werden mit Ihrer AHV – ach was, mit der AHV Ihrer Kinder und Kindeskinder – die Kosten für Ihre Studiengebühren abstottern müssen.



Doch trotzdem gibt es Grund zur Freude – all die Entbehrungen und die Plackerei haben sich gelohnt, denn Sie halten Ihre Diplom-, Bachelor- oder Masterarbeit in den Händen.


Zumindest den ersten Draft davon.


Der jetzt noch lektoriert werden will.


Tut mir leid für den Dämpfer, aber besser, ich sage es Ihnen als die Dozentin, die Ihre Arbeit benotet:


Nachdem Sie Ihr Werk verfasst haben, sollten Sie es jetzt unbedingt nochmals mit einem kritischen Blick auf Herz und Nieren prüfen. Stimmt der Aufbau? Sitzt die Grammatik? Ist Ihr Text verständlich und leserfreundlich geschrieben? Und ganz wichtig: Haben Sie korrekt zitiert?


Denn sonst kann es passieren, dass die ganze Mühe für die Katz war und Sie gescheiter mit dem Hund draussen in der Sonne gespielt hätten, statt im fahlen Licht des Computerbildschirms Ihr Dasein zu fristen, wie ein trauriger, blutleerer Nosferatu. Unwissenschaftliche Formulierungen, missverständliche Aussagen, Rechtschreib- und Grammatikfehler oder plagiatsverdächtige Wortlaute können Sie nämlich wertvolle Punkte kosten und Abzüge bei der Benotung geben.


Zudem wäre es schade, wenn Ihre brillanten Ideen am Scheinen gehindert werden vom dunklen Schattenwurf einer schwachen Struktur und eines holprigen Schreibstils.


Mit einem Selbstlektorat können Sie Ihrem Text den nötigen letzten Schliff verpassen und dazu noch Ihr Portemonnaie vor blut- und geldsaugenden Profi-Lektoren (wie mir) schützen. Hier sind die wichtigsten Punkte für Sie, damit Ihnen die finale Textpolitur gelingt.



#1 Verschaffen Sie sich Abstand zu Ihrem Text


Lassen Sie Ihren Text mehrere Tage – oder wenn das nicht geht, mindestens einen Tag – liegen und tun Sie etwas komplett anderes: Schlafen Sie, machen Sie Sport oder gehen Sie auf eine Sauftour mit Ihren Freunden. Denn wenn Sie zu nahe dran sind an Ihrem Werk, dann ist das so, als stünden Sie vor einem Gemälde und berührten es dabei mit der Nasenspitze: Vor lauter Strichen und Klecksen sehen Sie das grosse Ganze nicht mehr. Abstand verschafft Ihnen einen klaren Blick und Sie entdecken sofort, wo Sie etwas ändern müssen.



#2 Überprüfen Sie Aufbau und Struktur


Normalerweise besprechen Sie mit Dozentin oder Dozent die Gliederung Ihrer Arbeit und legen die Kapitel fest, bevor Sie mit dem Schreiben beginnen. Trotzdem haben Sie während des Schreibens mehr als genug Gelegenheit, abzuschweifen und sich durch das Thema zu mäandrieren wie die Donau in Rumänien. Das passiert besonders häufig am Anfang eines Texts, wenn man zu viele Dinge hineinpacken will, die erst später behandelt gehören oder gar nicht relevant sind. Überprüfen Sie daher, ob die richtigen Dinge am richtigen Ort stehen, einem logischen Aufbau folgen oder ganz gestrichen werden sollten.



#3 Zahlt Ihr Text auf Ihre Hauptfrage ein?


Orientiert sich Ihr Text ausschliesslich an der Hauptfrage Ihrer Arbeit, trägt zu ihrem Verständnis bei, untermauert oder widerlegt sie? Oder stehen da Dinge, die einen Informationsdschungel wuchern lassen und den Blick auf das Wesentliche versperren? Machen Sie Ihren Stift zur Machete und schlagen Sie Schneisen ins Dickicht. Streichen Sie gnadenlos, was nicht zum Thema gehört – so verleihen Sie Ihrer Argumentation Stringenz und Ihrem Text Muskeln, Tempo und einen unwiderstehlichen Sog.



#4 Formulieren Sie wissenschaftlich?


Wissenschaftlich zu schreiben, heisst nicht, dass Sie schreiben sollen wie Goethes Grossvater –aufgeblähte Formulierungen wie etwa die folgende werden Ihren Dozenten kaum beeindrucken, sondern eher zu Aspirin greifen lassen: «…eine hinlängst bekannte Tatsache, die nicht von hoher Wichtigkeit ist im Hinblick auf die definierte Effizienz und unter Berücksichtigung der individuell und subjektiv wahrgenommenen Ausprägungen der konkreten Massnahmen…».


Denn wer wissenschaftlich schreibt, darf, ja, soll einfach formulieren – das Hauptkriterium bei Wissenschaftlichkeit ist nämlich Präzision und nicht eine unverdauliche Blähsprache. Achten Sie daher vor allem darauf, spezifisch und unmissverständlich zu sein. Also nicht «extrem hoch», sondern 26,45 Meter hoch. Nicht «Mitarbeitende mittleren Alters», sondern «Bankfachangestellte im DACH-Raum im Alter von 35 bis 55 Jahren».



#5 Haben Sie korrekt zitiert?


Im Grunde genommen schwebt das Damoklesschwert des Plagiats über jeder Arbeit – denn es ist schlicht unmöglich, eine Abhandlung zu einem Thema zu schreiben, ohne auf bereits vorhandenes Wissen und die entsprechende Literatur zurückzugreifen. Aber das sollen Sie ja auch nicht. Sondern Ihre Aufgabe ist es, korrekt zu zitieren – das heisst, achten Sie darauf, fremdes Gedankengut als solches kenntlich zu machen. Dabei sollte das Zitat im Fliesstext selbst gekennzeichnet und auch im Literaturverzeichnis aufgeführt sein.


Bevor Sie mit dem Selbstlektorat starten, lesen Sie nochmals die Zitierrichtlinien Ihrer Uni oder Fachhochschule durch. Prüfen Sie während Ihres Lektorats besonders, ob Sie unter Umständen zu häufig direkt zitiert haben – denn das könnte Punkteabzug geben.



#6 Sind Sprache und Stil leserfreundlich und – deutsch?


Haben Sie, wo immer möglich, aktiv formuliert? Oder pflastern hässliche Passivsätze Ihr Werk?


Beinhaltet Ihr Text bandwurmlange Schachtelsätze, die der Leser auflösen muss wie eine komplizierte mathematische Formel?


Folgt das Verb erst nach vierundfünfzig Substantiven, Adjektiven und anderweitig untätigen Wortarten, bis der Leser endlich erlöst wird und erfährt, worum es im Satz geht?


Arbeiten Sie mit Füllwörtern wie «jeweils», «entsprechend», «eigentlich», «gewissermassen», «also», «sozusagen»?


Benutzen Sie Schweizerdeutsch-ismen wie «die Abteilung bekommt hundert Telefone pro Tag»? Oder englische Modewörter wie «Calls», für die es eine perfekte deutsche Alternative gäbe?


Was ist mit Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung – haben Sie die Bezüge korrekt gebildet und sitzen die Kommas an den richtigen Stellen?



#7 Einheitliche Schreibweisen und korrekte Formatierung


Selbst wenn Sie langsam, aber sicher die Nase voll haben und Ihre Arbeit nur noch loswerden möchten: Ein letzter Blick auf Schriftgrössen, Absatzabstände und Seitenränder lohnt sich. Denn solche vermeintlichen Äusserlichkeiten tragen zum Gesamteindruck Ihres Werks bei und erzählen dem Leser etwas darüber, wie viel Sorgfalt Sie haben walten lassen.


Verwenden Sie überall die von der Schule vorgegebene Schriftart, z. B. Arial, oder steht plötzlich ein Absatz in Times New Roman da? Erscheint ein bestimmter Fachausdruck von der ersten bis zur letzten Seite in Kursivschrift (weil Sie das am Anfang so bestimmt haben und nun bis zum Ende durchziehen sollten)?


Kommen die Anführungs- und Schlusszeichen ausnahmslos als Guillemets daher und nicht etwa zwischendurch als Gänsefüsschen?


Haben Sie bestimmte Wörter abgekürzt und verwenden Sie die Abkürzung konsequent?


Haben Sie die Abkürzung im Abkürzungsverzeichnis erfasst?


Stimmt die Formatierung der Kapitelüberschriften und ist die Nummerierung korrekt, einschliesslich der Titel der Unterkapitel?



#8 Unstimmigkeiten entdecken: Verlassen Sie sich auf Ihr Bauchgefühl


Sie lesen einen Ihrer Sätze und verspüren einen Stich in der Magengegend? Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl – Sie können sich nämlich darauf verlassen, dass mit dieser Formulierung etwas nicht stimmt, selbst wenn Sie noch nicht genau wissen, was. Vor allem Leute, die viel lesen, profitieren von einem gut trainierten Gespür für Sprache und Stil.



Das wär’s – jetzt kennen Sie die wichtigsten Punkte für ein systematisches Selbstlektorat. Sollte Ihnen dennoch etwas fehlen, schreiben Sie mir und fragen Sie. Denn fragen kostet (zumindest bei mir) nichts.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!



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