Was haben Sie und eine Ameise gemeinsam? Nun, ich vermute mal, Sie arbeiten genauso hart wie sie. Umso ärgerlicher ist es, wenn Ihr Fleiss nicht gewürdigt wird und Ihre Kunden die Rechnungen nicht pünktlich zahlen. Mit einem einfachen Trick – dem Ameisentrick – lässt sich das ändern.
Wie wissen Ameisen, wo es Futter zu holen gibt?
Wenn eine Ameise eine Futterquelle entdeckt, beginnt sie, auf ihrem Rückweg zum Nest Pheromone abzusondern. Damit legt sie eine Spur, die andere Ameisen «riechen» können und der sie folgen.
Je mehr Ameisen den Pheromon-Pfad nutzen, umso stärker wird er, da immer mehr Ameisen ihre Duftspur hinterlassen. Eine starke Spur bedeutet, dass es irgendwo viel und einfach zugängliches Futter gibt. So werden noch mehr Ameisen angezogen, die ihrerseits Pheromone aussondern, die Spur verstärken und weitere Ameisen anziehen. Und so ad infinitum (respektive, bis das Futter zur Neige ist).
Ameisen, die neu hinzustossen und der Duftspur folgen, richten ihr Verhalten also an jenem ihrer Artgenossen aus. Die Pheromonspur ist dabei eine Art «Social Proof» für sie – ein sozialer Beweis, dass es irgendwo etwas zu holen gibt.
Ein solcher Social Proof funktioniert auch bei uns Menschen.
Wie wirkt der Social Proof?
Der Verhaltenspsychologe und Marketingprofessor Robert B. Cialdini erklärt es in seinem Buch «The small BIG»: Beim Social Proof handelt es sich um ein fundamentales Prinzip, wonach unser Verhalten weitgehend von den Verhaltensweisen anderer Menschen geprägt wird.
Bewertungen auf Google etwa funktionieren nach diesem Prinzip:
Wenn viele Leute einem Restaurant ein Fünf-Sterne-Rating geben, werden auch wir vermutlich dort essen gehen. Wenn viele Leute dem Restaurant ein Ein-Sterne-Rating verpassen, werden wir es ziemlich sicher meiden.
Ähnliches lässt sich in den sozialen Medien beobachten: Wenn viele Leute einen Beitrag liken, werden auch Sie sich eher zu einem Like entschliessen. Wenn der Beitrag schon seit Stunden ohne ein einziges Like vor sich hindümpelt, werden Sie ihm vermutlich ebenfalls keine Beachtung schenken.
Was hat das mit Ihren Finanzen tun?
In einem Experiment liess Professor Cialdini beobachten, wie viele Passanten einem Strassenmusiker, der an einer belebten U-Bahn-Station spielte, eine Spende in den Hut werfen würden.
Nach einer Weile wurde das Experiment leicht verändert.
Kurz bevor ein Passant den Musiker erreichte, liess Cialdini von einem Teamkollegen jeweils ein paar Münzen in den Hut des Musikers werfen – und zwar so, dass es die sich nähernde Person sah. Das Ergebnis? Die Zahl der Leute, die sich zu einer Spende entschlossen, stieg um das Achtfache.
Der Social Proof – oder der «Ameisentrick», wie ich ihn nenne – hatte zugeschlagen.
Steuern und andere Rechnungen eintreiben
Eine Variante des Ameisentricks setzten die britischen Steuerbehörden mit der Unterstützung von Cialdini und seinem Team im Jahr 2009 ein.
«Zu viele Bürgerinnen und Bürger zahlten die Steuern nicht pünktlich», schreibt Cialdini in «The small BIG». Das britische Steueramt hatte alles Mögliche versucht, um die Leute zu rechtzeitigen Zahlungen zu bewegen, und mit verschiedenen Konsequenzen gedroht: Mahngebühren, Verzugszinsen, rechtliche Schritte.
Doch erst der Ameisentrick liess den Anteil der pünktlichen Zahlungen von 57 Prozent auf 86 Prozent hochgehen.
Was hatten die Behörde getan? Die Finänzler Ihrer Majestät hatten nur einen kurzen Satz in ihrem Standardbrief zur Rechnung ergänzt.
«Wir haben die Empfänger einfach (und wahrheitsgemäss) über die grosse Zahl der Bürger informiert, die ihre Steuern tatsächlich pünktlich zahlen», schreibt Cialdini.
Mehr hatte es nicht gebraucht. Dank dieser kleinen Änderung flossen 560 Millionen Pfund Steuern von insgesamt 650 Millionen zum verlangten Zeitpunkt in die britische Staatskasse, statt der 290 Millionen im Jahr zuvor.
Falls also auch Ihre Kundinnen und Kunden sich Zeit lassen mit dem Begleichen: Drohen Sie ihnen nicht mit Gebühren und Strafen. Informieren Sie sie einfach darüber, dass alle anderen – zum Beispiel 97 Prozent der Leute – ihre Rechnungen innert Frist begleichen. Und schauen dann, was passiert.
Ameisen arbeiten eben nicht nur hart, sondern vor allem smart.
Ich habe gerade Ameisen in der Küche und finde den Trick, Pheromone abzusondern, das Allerletzte 😉. Sehr gut geschrieben, Jelena. Danke dafür. Liebe Grüsse, Daniela