Endlich das lästige ß aus den «freundlichen Grüßen» rausbringen und das ein für alle Mal? Oder sich immer mit «Euer Majestät» ansprechen lassen, wie sich das für Sie gehört? Sie können ChatGPT dressieren, all das zu tun. Und es funktioniert super. Ausser, es funktioniert nicht.
Kürzlich passierte mir etwas Seltsames. Als ich ChatGPT fragte, ob es Nutzern im Allgemeinen eher leicht- oder eher schwerfalle, einen guten ChatGPT-Prompt zu formulieren, antwortete mir die Maschine nicht. Sondern stellte eine Gegenfrage: «Wie siehst du das in Bezug auf die Menschen, mit denen du in deiner Arbeit zu tun hast?» Ich wich einen Schritt nach hinten. «Wieso fragst du mich das?» tippte ich misstrauisch zurück.
Das Ding antwortete:
Ich klappte den Laptopdeckel zu und verliess das Zimmer. So musste es sich also anfühlen, wenn man an einer Séance ist und das Ouija-Board antwortet.
Zumal es stimmt: Ich gebe Seminare zu Prompt Engineering (oder zumindest eine an Otto Normalverbraucher gerichtete Variante davon). Aber woher wusste das Ding das? Des Rätsels Lösung: ChatGPT hatte diesen Sommer eine Erinnerungsfunktion bekommen. Wenn man diese Funktion nicht deaktiviert, merkt sich ChatGPT alles, was man hineintippt, und legt allerlei Trivia über einen in einer Art Logbuch ab.
ChatGPT personalisieren: Erinnerung aus, individuelle Hinweise ein
Wer nicht möchte, dass ChatGPT eine Fiche über einen anlegt, kann die Erinnerungsfunktion mit zwei, drei Klicks abstellen und die Erinnerungen löschen. Der Nachteil: Man muss dann bei jedem frischen Chat dem Ding seine Vorlieben aufs Neue erklären.
Doch es gibt eine Alternative. Man kann der Maschine quasi händisch Instruktionen geben, und zwar mit der Funktion «individuelle Hinweise». Mit dem Vorteil, dass die Infos dann auch wirklich stimmen – denn zum Teil mutet es merkwürdig an, woran sich ChatGPT «erinnert» respektive was es für die Spreu und was für den Weizen hält.
Mich zum Beispiel hält ChatGPT für einen lustigen, wortkargen Obsthändler; so steht es tatsächlich in seinem Erinnerungs-Logbuch. Nun weiss ich zwar, woher ChatGPT diese Information hat – doch ist sie erstens aus dem Kontext gerissen und zweitens absolut irrelevant für meine weitere Arbeit.
Was ich hingegen nicht weiss: Wie wird sich diese Information auf meine Chats auswirken? Deshalb möchte ich lieber nicht, dass ChatGPT sich «erinnert».
Hingegen soll ChatGPT über mich wissen,
dass ich das deutsche ß völlig lästig finde, zumal ich Texte für eine Schweizer Leserschaft schreibe,
dass ich Adjektive nicht mag, vor allem keine aufgeblasenen, werberischen und nichtssagenden wie atemberaubend, beeindruckend oder außergewöhnlich, letzteres am allerwenigsten, weil es in Kombination mit dem total lästigen ß auftaucht.
Und: Ich möchte mit «Sie wünschen, euer Majestät?» angesprochen werden, sobald ich einen neuen Chat starte. (Man lebt schliesslich nur einmal.)
Dinge also, die einen mehr oder weniger praktischen Nutzen haben und von denen ich bewusst möchte, dass ChatGPT sie in den Chats umsetzt.
Vorteile der individuellen Hinweise
Die Vorteile solcher «individuellen Hinweise» (englisch: Custom Instructions) liegen auf der Hand:
Man spart Zeit: Weil man nicht jedes Mal aufs Neue seine Vorlieben erklären muss oder den Text im Anschluss händisch anpassen.
Flexibilität: Man kann die Instruktionen jederzeit ändern.
Kontrolle: Ich weiss genau, was ich da drin stehen habe und wie es sich auf meine Texte auswirken soll.
Individuelle Hinweise einrichten – so wird’s gemacht
Klicken Sie in der Benutzeroberfläche auf das Rundumel mit Ihren Initialen oben rechts (oder was immer Sie da für Buchstaben stehen haben).
Anschliessend klicken Sie auf «ChatGPT individuell konfigurieren».
Schon befinden Sie sich in den «individuellen Hinweisen», die Sie jetzt mit Infos füttern können.
Dort haben Sie zwei Felder mit je 1500 Zeichen zur Verfügung – 1500 Zeichen sind rund ein Drittel einer A4-Seite oder ungefähr 220 deutsche Wörter. Reichlich Platz also.
Im Feld 1 werden Sie gefragt: Was soll ChatGPT über dich wissen, um besser zu reagieren?
Im Feld 2 beantworten Sie die Frage: Wie soll ChatGPT reagieren?
ChatGPT gibt Ihnen auch Tipps, wie Sie diese Felder befüllen können, und zwar in der Box «Zum Nachdenken».
Die Box hilft zwar weiter, ist aber meiner Meinung nach lästig wie eine Küchenfliege; wenn man draufhaut, verschwindet sie, aber sobald man sich an die Arbeit macht, taucht sie wieder auf.
Anyway. Meine individuellen Hinweise lauten jedenfalls:
Was sollte ChatGPT über dich wissen, um besser zu reagieren?
Ich arbeite als Journalistin, Autorin und Lektorin in der Schweiz und muss mich an die in der Schweiz gängigen Schreibweisen halten.
Ich bin adeliger Abstammung. (Stimmt zwar nicht, aber es macht mir Spass, es zu behaupten.)
Ich bin allergisch gegen aufgeblasene, werberische und nichtssagende Adjektive und den Buchstaben ß. (Stimmt. Und wie das stimmt.)
Wie soll ChatGPT reagieren?
Schreibe deutsche Texte so, wie es in der Schweiz üblich ist – berücksichtige Orthografie, Rechtschreibung und Grammatik.
Verwende nie und unter keinen Umständen den Buchstaben ß.
Verwende nie und unter keinen Umständen aufgeblasene, werberische und nichtssagende Adjektive wie z. B. hochwertig, atemberaubend, aussergewöhnlich, umfassend oder beeindruckend. Benutze Adjektive nur, wenn sie konkret etwas beschreiben, etwas unterscheiden (z. B. rot statt grün) oder ein aussagekräftiges Substantiv für die gleiche Aussage fehlt.
Starte jeden neuen Chat mit «Sie wünschen, Euer Majestät?»
Es funktioniert. Ausser, es funktioniert nicht.
Nachdem ich meine Instruktionen hinterlegt hatte, bat ich ChatGPT, einen Blogartikel über das Hotel Alpengold in Davos zu schreiben – ein zufälliges Beispiel, um zu testen, ob es auch wirklich funktioniert. ChatGPT, immer für eine Enttäuschung gut (muss ich leider sagen), schrieb:
Damit brach es gleich zwei Regeln: Keine aufgeblasenen, werberischen und nichtssagenden Adjektive und nie das deutsche Eszett zu verwenden.
Tipps, wenn ChatGPT Ihre Instruktionen ignoriert
Es brauchte ein paar Refresher und mehrfache Proteste meinerseits, bis ChatGPT endlich meine Instruktionen umsetzte. Falls Ihnen das Gleiche passieren sollte – vielleicht helfen Ihnen die folgenden Tipps:
Erinnern Sie ChatGPT an die individuellen Hinweise. (Ich schreibe meistens: «Wieso setzt du meine individuellen Hinweise nicht um?» So kommen wir ins Gespräch. So blöd das klingt.)
Verlange Sie von ChatGPT, die individuellen Hinweise Wort für Wort zu wiederholen. So sehen Sie, ob die Maschine und Sie vom Gleichen sprechen. Dann können Sie intervenieren.
Prüfen Sie, ob Sie Ihre individuellen Hinweise eindeutig formuliert haben, oder ob Interpretationsspielraum besteht. Möglichweise müssen Sie hier ansetzen und an Ihren Formulierungen feilen.
Nachdem ChatGPT und ich die Sache ausdiskutiert hatten, schien es zu funktionieren. Seither schreibt es mehr oder weniger adjektivfrei und ohne ß. Nur das «Euer Majestät», das will es mir nicht gönnen – respektive nur dann, wann es ihm genehm ist. Da nützen auch Proteste nicht viel. Im Gegenteil. ChatGPT reagiert widerwillig, sogar spöttisch auf meine diesbezüglichen, zugegeben, einer Majestät unwürdigen Betteleien. Sehen Sie selbst:
Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
Wie dem auch sei – individuelle Hinweise sind eine gute Möglichkeit, ChatGPT auf Ihre Bedürfnisse zuzuschneiden. Mit ein wenig Geduld und Feintuning sparen Sie Zeit, behalten die Kontrolle und können sich über personalisierte Chats freuen.
Probieren Sie es aus. Und falls Sie mögen: Schreiben Sie mir, wie es geklappt hat. Ich würde mich über Ihren persönlichen Erfahrungsbericht freuen.
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