Bestimmt sind auch Sie schon an einer Jugendlichen mit Kippe im Mundwinkel vorbeigelaufen und haben den Impuls verspürt, ihr einen Vortrag über künftige Gesundheitsschäden (oder zumindest Falten im Gesicht) zu halten – oder Sie wollten ihr gleich die Kippe aus der Hand schlagen, weil Sie rabiat sind und ein fanatischer Ex-Raucher (so wie ich).
Doch Sie haben es nicht getan, weil Sie wissen: Es ist aussichtslos. Denn die Werbefachleute der Tabakkonzerne sind uns Normalsterblichen um Längen voraus, wenn es darum geht, den Kids zu erzählen, was cool ist.
Und jetzt kommt diese Initiative daher und will der Tabakwerbung verbieten, sich an Kinder und Jugendliche zu richten. Das ist ein Problem für die Branche – denn vom Tabakkonzern bis zur Werbeagentur, überall arbeiten Leute, die davon profitieren, dass man Konsumenten möglichst früh anfixt.
Aber wie soll eine Gegenkampagne aussehen, die Plakaten Paroli bietet, auf denen man junge, unschuldige Gesichter hinter einer qualmenden Zigarette sieht?
Selbst der Zynischste unter den Werbern wird sich nicht hinstellen und öffentlich verkünden, dass er es gut findet, dass Kinder sich dieses Gift reinziehen. Die Zeiten in der Werbung sind längst vorbei, als man behauptete, Zigaretten seien gesund und beruhigen die Nerven.
Was also tun?
Was man in solchen Situationen immer tut: Vom Thema ablenken. Man sagt: Heute Tabak! Morgen Cervelat? Oder: Heute Tabak! Morgen Salsiz?
Und lenkt damit nicht nur vom Thema ab, sondern schickt unterschwellig die Botschaft: Lasst euch von diesen gesundheitsfanatischen, grünveganen, wirtschaftsfeindlichen Linksfeminist*innen nicht eure Rechte nehmen – wehret den Anfängen und schützt Urschweizer Kulturgut, das in Form von Wurst schon morgen das nächstes Opfer dieser bevormundenden Weiber*innen sein könnte!
(Und vergesst über diese Empörung hinweg, dass es eigentlich um Tabak geht und um unsere Geldbeutel. Danke.)
Als Werbetexterin finde ich die Kampagne der Initiativgegner weder clever noch originell noch besonders durchdacht, sondern so durchschaubar wie ein Wurstnetz in einer Räucherkammer. Die Gegenkampagne müsste mir deswegen eigentlich komplett Wurst sein – aber auch ich lebe von Werbung und muss manchmal meinen Senf dazugeben.
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