Liebesgeflüster (und weiteres Gerede) in Zeiten von KI
- Jelena Martinelli
- 23. März
- 3 Min. Lesezeit
Vom wem möchten Sie lieber ein «Ich liebe dich» hören? Von einem Menschen oder einer Maschine? Und wie müsste die Liebeserklärung klingen, um Sie zu überzeugen, dass sie kein leeres Geschwätz ist? Leidenschaftlich? Sexy-gehaucht? Feierlich?
Die Solothurner Voice-Actress Sangeetha Sander weiss, wie man Emotionen in die Stimme bringt.
In ihrem Gastbeitrag erklärt sie uns, warum sie ihren Sprecherinnen-Job liebt, ob synthetische Stimmgeneratoren eine ernstzunehmende Konkurrenz für sie sind, und was sie Firmen rät, die zwischen dem Einsatz von menschlicher und künstlicher Stimme schwanken.
Und: Als Special haben wir Sangeetha gegen Rachel – eine Stimm-KI des Marktführers ElevenLabs – in einer Art Sprachbattle antreten lassen. Beide haben untenstehenden Text eingelesen.
Hören Sie selbst: Wem nehmen Sie die Liebe eher ab?
Künstlerische Intelligenz
Gastbeitrag von Sangeetha Sander
«Ich finde KI toll!», sagte uns Michael Pan – bekannter Schauspieler und Synchronsprecher – vor kurzem beim Voiceacting-Workshop in Berlin. Wir Teilnehmende staunten nicht schlecht. Doch mit einem Augenzwinkern ergänzte er verschmitzt: «KünstlERISche Intelligenz, nicht Künstliche Intelligenz.»
Für mich als angehendes Voice-Talent im Sprecher-Business ist dieses Thema nicht nur spannend, sondern auch spannungsgeladen. Soll ich meine Leidenschaft, der ich bereits seit dem Gewinn eines Lesewettbewerbs in der Grundschule nachträume, direkt aufgeben? Oder ist die Panik um KI vielleicht etwas übertrieben?

Von zwei Erfahrungen möchte ich dazu berichten.
Für eine Telefonansage wurde ich von einer Firma beauftragt und nur wenige Tage später wieder gekündigt. Die Verantwortlichen fanden, dass man mit KI viel flexibler und günstiger auf Sprachen und Anpassungen reagieren könne.
Auf der anderen Seite kontaktierte mich ein ehemaliger Auftraggeber wieder für ein Voiceover und meinte reumütig, dass sie es mit KI versucht hätten, aber einfach keine zufriedenstellenden und glaubwürdigen Ergebnisse erzielt hatten.
Wann KI, wann menschliche Stimme?
Die Beispiele zeigen, dass es grundsätzlich möglich ist, einem System die Muster einer Sprache beizubringen und diese nachzuahmen. Für neutrale Projekte wie Industrie- und Erklärfilme, Online-Nachrichtenportale oder Sprachassistenten ist es also durchaus einsetzbar.
Geht es jedoch um Emotionen, kann dies der KI (noch) nicht beigebracht werden. Der Satz «Ich liebe dich» kann zum Beispiel nicht nur unterschiedlich betont werden, sondern auch sexy, schüchtern, humorvoll oder erstaunt klingen.
Hörprobe gefällig?

KI klingt im Gegensatz oft eintönig, denn sie hat kein Kontextverständnis und kann die Nuancen einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht unterscheiden. KI kann auch keine natürlichen Pausen setzen oder Grimassen und körperliche Anstrengung in der Stimme darstellen.

Für Hörspiele, Hörbücher, Werbung und Synchronisation kommt Künstliche Intelligenz daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage. Bisherige Versuche jedenfalls in diesem Bereich haben kaum Zuschauende oder Zuhörende überzeugen können.
Koexistenz ermöglichen
Nicht zu bestreiten ist, dass KI bereits in viele Bereiche eingedrungen ist und sich weiterentwickeln wird. Die Frage ist also nicht, ob mit oder ohne, sondern wie KI mit seinen Möglichkeiten fair und nachhaltig eingesetzt werden kann und wie eine Koexistenz möglich ist.
Daher versuchen die Sprecherverbände Regelungen und Standards einzuführen und eine Klausel durchzusetzen, die vor missbräuchlicher KI-Anwendung schützen soll. Denn KI bereichert sich an echten Stimmen und nutzt diese ohne, dass die Urheber gewürdigt werden.
Qualität versus Kosten
Zeit- und Kostengründe können Firmen und Produktionen dazu verleiten auf KI zurückzugreifen. Ich glaube aber, dass dies immer mit einem geringeren Qualitätsstandard und Erlebnis einhergeht.
Wird das vom Kunden oder Publikum tatsächlich akzeptiert und möchten sie langfristig auf die Facetten einer authentischen Stimme verzichten? Die Antworten darauf werden wegweisend sein.
Noch wollen Menschen aber Menschen zuhören. Und dafür ist die künstlERISche Intelligenz immer noch wichtiger als die künstliche.
Möchten Sie Sangeetha Sander für einen Auftrag buchen? Hier entlang.
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