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AutorenbildJelena Martinelli

Adjektivsuppe zum Frühstück: Woran Sie KI-generierte Texte erkennen

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Aber sobald ein Text mit den Worten «In einer Zeit, in der…» beginnt, klicke ich ihn weg. Als hätte ich in ein Häufchen gelangt. Weil: KI-Alarm.


Alle tun es. Niemand gibt es zu. Persönlich habe ich den Eindruck, dass kaum jemand mehr seine Texte selbst schreibt – zumindest jene Texte, die man in elektronischer Form zu lesen bekommt. Und tatsächlich: Gerade ist im Magazin «Forbes» ein Artikel erschienen, der eine Studie zitiert, wonach 57 Prozent der Inhalte im Netz von einer KI fabriziert werden. (Link zum Forbes-Artikel)


Da hätten wir’s also.


Wobei das an sich nicht weiter schlimm wäre.


Nur: Die Newslettertexte und Blogartikel, die ich in letzter Zeit in die Inbox und den Social-Media-Feed gespült bekomme, klingen zwar eloquent. Doch beim genaueren Durchlesen fühlt es sich an, als versuchte ich, mit den Fingern Sand vom Meeresstrand zu schaufeln. Sprich, die Texte lassen sich beim besten Willen nicht greifen.


Adjektivsuppe mit Schwips


Es begegnet einem ein Haufen Floskeln und Allgemeinplätze. Das Geschriebene wirkt wichtigtuerisch und bietet einem so gut wie keinen Informationsgehalt, obwohl es orthografisch und grammatikalisch einwandfrei ist.


So liest man von bedeutsamen Trends und bedeutenden Fortschritten.


Dinge werden signifikant verbessert und tiefgreifend transformiert, und das in beachtlichen und erheblichen Mengen.


Zum Teil schreiten auch irgendwelche Meilensteine mit grossen Schritten voran (Sie müssen auch gerade an das Pink-Floyd-Video «The Wall» denken, oder?).


Die Inhalte wirken ominös und ein bisschen, als würde man im November auf der A3 am Zürichsee entlangfahren – nebulös.





Man wird den Eindruck nicht los, dass der Autor entweder beschwipst oder noch ein Kind sein muss; immer eine Spur zu überschwänglich, ein bisschen zu enthusiastisch, etwas naiv und vor allem – als hätte er Adjektivsuppe (mit einem Schuss Whisky) gefrühstückt.


Majestätische Tannzapfen, Politiker auf Speed

Nichtssagende Adjektive sind denn auch das Hauptmerkmal von KI-generierten Texten, habe ich das Gefühl.


Ein Beispiel.


Ich liess die KI meiner Wahl (ChatGPT) einen Blogartikel über ein Davoser Hotel texten. Munter schrieb sie drauflos:


Das Hotel Sowieso in Davos sei «eine Ikone des alpinen Luxus, das sich majestätisch inmitten der beindruckenden Landschaft der Schweizer Alpen erhebt», erklärte mir ChatGPT. Von dort aus hätte ich einen «unvergleichlichen Blick» über Davos und «atemberaubende Ausblicke.»


Da will man doch gleich mehrmals den Buzzer drücken.


Einmal bei «majestätisch», weil es so ein aufgeblasenes Wort ist.


Dann bei «unvergleichlich» und «atemberaubend» – diese Adjektive produzieren lediglich heisse Luft und sagen gar nichts.


Und dann will man mindestens fünfmal hintereinander bei der «beeindruckenden Landschaft» draufhämmern. Diese Worthülse verstopft den Text wie ein Büschel Haare den Abfluss, während ich immer noch am rätseln bin, wie diese Landschaft aussieht.


Nichtssagende Adjektive also, die zu allem Übel auch noch wiederholt werden – ein paar Zeilen weiter unten war nämlich nochmals von «majestätisch» die Rede; diesmal war’s ein «majestätischer Tannzapfen».


Als redete ein Politiker auf Speed. Viele Worte, wenig Substanz.


Unter dem Strich bleibt nach der Lektüre eines solchen Texts ein komisches Gefühl zurück – man hat zwar viel gelesen, ist aber ähnlich schlau wie zuvor. Ein bisschen, als hätten Sie Zuckerwatte gegessen; Sie haben ein klebriges Gefühl auf der Zunge, sind jedoch nicht satt.


Verstehen Sie mich richtig:


Es spricht nichts dagegen, sich von einer KI beim Schreiben helfen zu lassen. Schliesslich gebe ich selbst ChatGPT-Schreibkurse.


Allerdings kann es gefährlich sein, wenn man nur den Knopf drückt und den Text unverändert übernimmt. Besonders, wenn es sich um Werbung (im weitesten Sinn) für das eigene Unternehmen handelt, etwa in Blogartikeln, Publireportagen oder Newslettertexten.


Denn KI-generierte Texte unbesehen zu veröffentlichen, ist das moderne Äquivalent der Schreibfehler. Wenn ein Kunde nämlich merkt, dass ChatGPT und Co. am Werk waren, wird er sich vermutlich fragen:


Wenn denen schon ihr eigener Content egal ist – wie behandeln sie dann mich?


Entfernen Sie zumindest die Adjektive. Damit ist schon viel gewonnen.

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