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AutorenbildJelena Martinelli

«Äusserst frische Fische!»

Ist es eine gute Idee, in Ihren Produktbeschrieben und Werbetexten Verstärker wie «sehr», «äusserst» oder «völlig» einzusetzen? Nein. Weil damit der Schuss nach hinten losgeht. Weshalb? Deshalb.


Als ich noch als Führungskraft meine Brötchen verdiente, musste ich ab und zu ein Zeugnis schreiben. Einmal wollte ein Mitarbeiter seines nicht so akzeptieren, wie ich es getextet hatte. Als ich ihn fragte, was mit dem – aus meiner Sicht – einwandfreien Schreiben nicht in Ordnung sei, rief er aus:


«Ich vermisse die Superlative!»


So oder so ähnlich tönt es auch von Firmen, wenn sie feststellen, dass Verstärker wie «sehr», «äusserst» oder «völlig» in ihren Produktbeschrieben und ähnlichen Werbetexten fehlen:


  • sehr hohe Qualität

  • äusserst hochwertige Materialien

  • eine völlig neue Herangehensweise

Doch ist es keine gute Idee, solche Verstärker einzusetzen. Weil sie die Aussage eben nicht verstärken, sondern – so sagt der Harvard-Linguist Steven Pinker – untergraben.



«Wenn ich mich frage, wer die Portokasse gestohlen hat, ist es beruhigender zu hören „Nicht Jones; er ist ein ehrlicher Mann“ statt „Nicht Jones; er ist ein sehr ehrlicher Mann“», schreibt Pinker.


Der Grund: Wir tendieren dazu, unmodifizierte Adjektive und Substantive in einem absoluten Sinn zu interpretieren – als ein Entweder-Oder. Entweder ist jemand ehrlich oder nicht.


Sobald aber Verstärker wie «sehr», «äusserst» oder «völlig» hinzufügt werden, wird diese Alles-oder-Nichts-Dichotomie in eine abgestufte Skala umgewandelt.


Indem Sie Verstärker benutzen, versuchen Sie zwar, sich auf dieser Skala weit oben zu platzieren – sehr ehrlich, äusserst hochwertig (im Gegensatz zu gar nicht ehrlich oder überhaupt nicht hochwertig am unteren Ende der Skala).


Aber es wäre besser, Sie würden den Leser gar nicht erst auf die Idee bringen, dass im Zusammenhang mit Ihnen oder Ihrem Produkt «ehrlich» oder «hochwertig» relativ sein könnten.


Während man sich bei einem Zeugnis tatsächlich fragt, was möglicherweise nicht in Ordnung sei, wenn Verstärker fehlen – hier sind sie nun einmal Branchencode –, ist bei Werbetexten das genaue Gegenteil der Fall:


Wer mit Superlativen und Verstärkern arbeitet, läuft Gefahr, unglaubwürdig zu wirken.


Wirklich.

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